Ein wildgewordener RIESEN-Brache-HAUFEN
Der wilde Haufen
Eine zufällige (wilde)
Häufung von Fragmenten über Haufen und seine/ihre Signifikanz für eine
Neuordnung der Welt.
0. Der Haufen: ein
Kennzeichen der Brache.
Die Brache ist ein Ort der
für eine bestimmte Zeit unbenutzt bleibt, aus verschiedenen Gründen. Eine
Brache (regional auch Gstettn) ist ein aus wirtschaftlichen, regenerativen oder
anderen Gründen unbestelltes Grundstück (Acker oder Wiese). Jedes Grundstück,
das sich einmal in menschlicher Nutzung befand, aber wieder aufgegeben wurde
und möglicherweise Spuren hinterlassen hat, ist brach liegend.
Auf Brachen bilden sich
unweigerlich Haufen.
Zusammengestürzte Gebäude
werden zu Haufen.
Ein gambanesischer Freund
hat sein Grundstück mit Haufen markiert, weil ein Zaun zu teuer gekommen wäre.
Von Maulwürfen ausgegrabene
Erdhügel überall.
Haufen werden zu Hügeln und
Bergen.
Oder sie verschwinden von
Selber.
Der Haufen ist eine Anhäufung von Materialien, eine
Sortierungstechnik, mit der unbestimmtes loses Material angehäuft und in der
Landschaft bewusst oder unbewusst organisisiert wird.
1. Wie alles begann
Adam (hebräisch אָדָם, ādām, „Mensch“) wurde demnach von Gott aus Staub (hebräisch אֲדָמָה ădāmāh, „Ackerboden“) erschaffen. In der
Schöpfungsgeschichte hört es sich so an: „Denn Staub bist du und zum Staub
zurück kehrst du.“ Aus einem Haufen Dreck sind wir also gemacht. Klugscheisser:
“Wieviel Prozent Hautpartikel befinden sich im Hausstaub? 75 Prozent.”
Seit ich mich erinnern kann, organisiere ich meine Welt in Haufen.
Meine ersten Haufen waren
die Legohaufen im Kinderzimmer, sortiert in Farben oder nach Grösse. Blaue,
grüne, rote, weisse, 2er, 4er, 8er. Nichts ist irritierender als Mütter, die alles
in eine Kiste werfen, weil sie das Ordnungsprinzip ihrer Kinder nicht
verstehen. Es ist doch allemal besser wenn der gesamte Fussboden als
Ordnungsmatrix für das Lego dient, als alles in eine Kiste zu werfen.
Unverständlich bis heute. Unter den Heuhaufen haben wir uns versteckt, der
Geruch von getrocknetem Gras, im Schatten der Hitze. Hier wurden die ersten
sexuellen Erfahrungen gemacht. Unter einem Haufen Heu haben wir uns gegenseitig
masturbiert und die ersten Samenergüsse landen im Heuhaufen. In der hauseigenen
Tischlerei war ein Haufen sehr beliebt: der Sägespänehaufen. Dieser war wieder
unterteilt in eigentlich 2 Haufen: feines Sägemehl als Schnittabfall aus der
Kreissäge, hinter der Hobelmaschine bildete sich feine Sägespäne, die
abgeschält wurden und am besten riechen die wohlgeschwungene Hobelspäne, die
mit Hand abgehobelt werden. Einmal im Jahr kam der grosse Kohlehaufen, direkt
abgeladen vor dem Haus, wartete er darauf von uns Kindern in den Heizraum
transportiert zu werden. Gerne waren wir an diesem Tag krank, beschäftigt oder
einfach unterwegs. Manchmal schneite es den Winter durch so stark, dass sich
riesige Schneehaufen bildeten, in die wir Kinder Iglus bauten.
Der Haufen ist eine ungeordnete Anhäufung oder eine formlose Masse
von etwas: "ein Haufen Sand/Steine, ein Haufen Geld, ein Haufen Stroh.
Wieviel? Ich weiss es nicht genau!”
Als ich 10 Jahre alt war,
fuhren wir zum ersten Mal ans Meer. Sandhaufen kannte ich bis dahin nur aus 2x2
Meter begrenzten Sandkisten. Die schier unbegrenzten Möglichkeiten des
Sandhaufenbauens hinterliessen bleibende Eindrücke und entwickelten in mir den
Wunsch, die grössten Sandhaufen der Erde zu besuchen. Jahre später besuchte ich
die Dünen in der Nähe des Ortes Mhamid. Denn kaum etwas ist beeindruckender als
die riesenhaften Sanddünen, die je nach Tageszeit ihre Farbe wechseln. Dünen
zum Beispiel brauchen nur ein Grasbüschel, hinter dem sich der Haufen und
später sogar ganze Sandhügel oder Sandberge bilden. Die Düne entsteht durch die
Bewegung des Windes. Allerdings müssen die ersten Sandkörner Halt finden im
Windschatten eines Pflänzchens. Diese Haufen wandern dann mit der Zeit, wenn
sie eine bestimmte Masse erreicht haben. Ohne Kamel, Rover oder Guide habe ich
tagelang die Dünen studiert. Alleine auf den Graten zwischen Sand und Wind zu
wandeln und der Entstehung der Dünen beizuwohnen, hat mich geprägt. Mitgenommen
habe ich einen Haufen Tee, einen Haufen Kometen und einen weiteren Haufen
Haschisch aus Banana City.
2. Hüllen für Haufen
Heute werden Haufen gerne
in Hüllen gehüllt. In dem man eine Hülle um den Haufen legt, glaubt man ihn
kontrollieren zu können. Obdachlose packen ihre Habseligkeiten in Säcke und
glauben dadurch mobil zu sein. Kübel, Säcke, Kisten oder Schachteln. Erst viel
später wurde das Regal erfunden, um den Haufen eine Form zu geben. Aktenordner
-u. schränke ändern aber nichts daran, dass es immer noch Haufen sind, die nun
vielleicht alphabetisch geordnet sind, aber sonst in keinster Weise
übersichtlicher.
Aktenordner sind Hüllen für
Haufen.
Aber nicht effizienter.
Irgendwann wandern alle
Aktenordner auf den grossen Aktenberg.
Von dort werden sie der
Kehrrichtverbrennungsanlage zugeführt.
Aktenschränke sind
begehbar.
Einmal habe ich ein Haus
gebaut.
Ich nannte es ELKe
Fertighaus.
Und es bestand aus 7
Schachteln und einem Koffer.
Zu jenem Zeitpunkt der
Geschichte
beinhalteten die 7 Kisten
und der eine Koffer alle Meine Habseligkeiten.
Ich startete ein
Gewinnspiel.
Zu gewinnen gab es die 7
Schachteln.
Den Koffer behielt ich.
Ich glaube die Schachteln
stehen heute noch irgendwo.
Oder die Inhalte sind in
den Besitz der Gewinner eingegangen.
Später habe ich in Wien
einmal in der Wohnung eines Freundes, Bestandteile meiner Schachtel gefunden
(seltene Bücher). Ich bin zufrieden, wie meine Dinge ihren Weg in die Welt
gefunden haben. Sie haben sich selbständig gemacht. Ich bin stolz über meinen
ersten Fertighausbau.
Häuser sind immer in Form
gebrachte Haufen. Wenn sie einmal unbewohnbar werden und zusammenfallen, werden
sie zuerst zu Ruinen und dann zu Haufen.
3. Haufenindustrie
Ganze Industrien sind
dadurch geprägt, dass sie Haufen bearbeiten, verwerten oder entsorgen.
Mittlerweile wird ja auch
richtig viel recycliert.
Darum werden wir auch heute
noch angehalten Haufen in Säcke zu verschieben und um 7 Uhr morgens vor die Tür
zu stellen.
Aber bitte getrennt,
geschnürt und sortiert.
Das wiederum interessiert
mich nicht.
Am wichtigsten
Medienkunstfestival der Welt habe ich einmal unter dem Motto: “Luxus für alle”
im damaligen Rektorenzimmer der Kunstuniversität Müll gesammelt und einzelne
Fundgegenstände wieder verkauft. Heute nennt man das Fundsachenverkauf. Ich bin
nie erfolgreich damit geworden. Zumindest nicht, dass man es eine nennenswerte
Wertschöpfungskette nennen hätte können.
Ich kann dem Mülltrennen
nichts abgewinnen.
Alle anderen sollen Müll
trennen und entsorgen.
Wenn ich Haufen mache, dann
nur um sie aufzubewahren, nicht um sie wegzuwerfen.
4. Aus Haufen etwas
machen
Die arme Müllerstochter,
die mit einem Haufen Stroh in eine Kammer gesperrt wurde mit dem Auftrag bis am
Morgen das Stroh in Gold gewebt zu haben. Ein fast unmögliches Unterfangen,
erinnert mich heute an Social media Praktikanten, die aus ein paar Fotos
Interaktionen in sozialen Netzwerken produzieren sollen.
Es muss immer aus allem
Etwas gemacht werden.
Alles muss immer gemacht
werden.
Haufen machen.
Von Haufen können jederzeit
Materialmengen entnommen
und später hinzugefügt
werden.
Ein Haufen lebt.
Er atmet.
Jeden Tag wird er grösser,
kleiner oder ist mit Schnee bedeckt.
Ein Haufen Blätter im
Herbst.
Wird entweder von
Laubhornbläsern zum Nachbar geblasen
Oder durch die erste
Schichte Schnee bedeckt.
5.
Informationsmanagement
Später begann ich Haufen
aus Seiten zu häufen.
Eigentlich hat das bis heute
nicht aufgehört.
Haufen, die Themen
zugeordnet sind.
Themen als Haufen.
Den Zettelkasten McLuhans
fand ich während meiner soziologischen Phase unnütze Zeitverschwendung. Notizen
in Zettelkasten zu indexieren und zu ordnen war mir immer zuwider. Da halte ich
es lieber mit Roland Barthes Würfelwurf, den Fragmenten einer Sprache der Liebe
oder Hanekes 71 Fragmenten einer Chronologie des Zufalls. Rhizome sind Haufen
von Knoten. Netzwerke sind Haufen von Servern. Hier wird nichts geordnet und
doch ist alles an seinem Platz.
Ähnliche Zettel
herumschieben. Haufen machen, die zu Themen passen.
Was ist das Thema?
Labels in der Mailbox
vergeben.
Den Daten Tags zuweisen.
Ordnungssysteme!
Die Rechnungen vom letzten
Jahr.
Die gesammelten Handschuhe
aus dem letzten Winter.
Die herrenlosen Fahrräder
aus dem Fahrradkeller.
Ein Haufen Würfel sind
gefallen.
6. Spezielle Formen
von Haufen: Stapel und Türme
Spezielle Formen von
Haufen,
die hier bisher noch gar
nicht behandelt wurden, sind Stapel und Türme.
Wobei bei beiden
Sonderformen des Haufens Materialien übereinander und aufeinandergelegt werden.
Stapel werden geschichtet.
Türme mit Zement verbunden.
Die Ordnungsformen dabei
sind:
kreuz&quer
im Verbund
so hoch, bis zum umfallen (was dem punktuellen Alkoholismus ähnelt:
so hoch bis zum Umfallen)
Einmal habe ich Türen von
Menschen gesammelt und zu einem Stapel geschichtet, den ich Ge-Schichten
nannte. Daneben stand mein Turm der Einsicht. Wer sich hinein begab, sah oben
wieder hinaus. Hinter jeder Türe stecken immer Geschichten. Wenn die Türe
fehlt, dann strömen die Geschichten hinaus in alle Himmelsrichtungen.
Geschichten müssen verschlossen werden. Es sind Geheimnisse, die man sich zu
den Feiertagen oder am Lagerfeuer erzählt. Zu besonderen Anlässen, zog der Vater
seinen Bub heran und offenbarte ihm die Geheimnisse der Familie. Fernando Bubi:
“Lasst uns näher zum Feuer gehen, damit wir uns besser verstehen.”
Während Stapel äusserst labile Konstruktionen sein können sind
Türme wehrhafte Einrichtungen.
7. Der Scheiterhaufen
muss brennen.
Früher haben unsere
historischen Zeitvorfahren gerne Hexen und Zauberer am Scheiterhaufen
verbrannt. Heute gibt es nur mehr zwei Arten von Scheiterhaufen: den Böög, der
einmal im Jahr symbolisch am Sechseläutenplatz in Zürich verbrannt wird, um das
Wetter vorauszusagen und ein österreichisches Rezept, bestehend aus
verschiedenen Haufen von Zutaten. Im wesentlichen besteht der Scheiterhaufen
aus einem Haufen alten Brots, das sich in der Küche über Tage und Wochen
angesammelt hat und nun einer neuen (schmackhaften) Verwendung zugeführt werden
soll. Der Scheiterhaufen muss mit viel Staubzucker serviert und heiss gegessen
werden.
Zutaten:
5 Äpfel
4 Eier
0.5 l Milch
1 Prise Salz
250g Zopf oder Brot (alt)
80 g Zucker
Staubzucker
1 Pkg Vanillezucker
1 Prise Zimt
Rum (80%)
Zubereitung:
Striezl/Zopf/Brot blättrig
schneiden. Milch mit Eiern, Zucker, Vanillezucker und einer Prise Salz
verrühren. Äpfel schälen und feinblättrig schneiden. Backrohr auf 200 Grad
vorheizen. Auflaufform mit Butter bepinseln. Äpfel mit Zimt würzen. Zopf in der
Eiermilch gut eintunken. Abwechselnd Zopf- und Apfelmasse in die Auflaufform
schichten und mit der restlichen Eiermilch übergießen. Schnee schlagen und
drüber streichen. Mt Staubzucker bestreuen. Den Scheiterhaufen ca. 40 Minuten
lang backen . Mit Rum begiessen und anzünden.
8. Anhang: Mehr wilde
Haufen
Im Anhang folgt eine wilde
Übersicht über Sammlungen von wilden Materialien. Dabei werden die Materialien
nicht in sich sortiert, sondern einfach von anderen Materialien unterschieden
und wild separiert. So entstehen z.B. auf ein Haufen aus Gras, Erde, Steinen,
Abfall, Ton, Scherben, etc. Dermassen strukturiert, können die einzelnen Haufen
späteren Verwendungszwecken zugeführt, organisiert oder entsorgt werden.
Material
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Kinder
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Kleider
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Fenster
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Computer
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Kabel
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Türen
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Bücher
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Geld
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Papier
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Ton
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Scherben
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Stein
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Holz
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Menschen
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Schuh
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Handschuh
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Sessel
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Gras
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Heu
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Abfall
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Plastik
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Brot
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Butter
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Marmelade
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Kunst
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Eisen
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Glas
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
Scheiss
|
Haufen
|
Stapel
|
Turm
|
Hügel
|
Berg
|
feiner Text, haufenweise Wohlgefallen
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