Die Planung der Legende:
2100 nächtlich Nackte
König Bruno der Erste und Letzte gönnt der Wiese
seines anarchistischen Königreichs von August 2017 bis Juli 2018 ein
Brachejahr. Auch eine Kunstwiese braucht mal Pause! verkündet er. Neu gilt
darum das Noseländische Baugesetz, gemäss dem in einem Brachejahr keinerlei
Kunstbauten auf Noseland gestellt werden dürfen (Verordnung von König Bruno per
1. April 2017). Vermutlich ist das Datum der Verordnung reiner Zufall und hat
nichts mit den Aprilscherzgebräuchen im angrenzenden Ausland zu tun, denn König
Bruno lädt zu Werkproduktionen ein, die dieses Gesetz respektieren sollen. Das
geschieht, indem man sich heute am Feuer bei Glühwein, Brot und Käse trifft und
vom Werk berichtet, das angeliefert worden wäre, wenn nicht Brache wäre.
Am 20. August im aktuellen Brachejahr hat auf
Noseland noch der Fremdanlass „Nudeland“ mit nackten Menschen stattgefunden.
Der Anlass war im Rahmen der neuen Noseländischen Gesetzgebung möglich, da
keine für Kunstbauten notwendige Materialien verwendet wurden und die
Kunstbauten erschaffenden Lebewesen und handelnden Subjekte wie zum Beispiel
Menschen nicht als Kunstbaute angesehen werden können. Das Baugesetz wurde
eingehalten, indem die Kleider der nachmalig Nackten ausserhalb der noseländischen
Wiese deponiert wurden.
Was auf Noseland verfassungs- und im Brachejahr
verordnungskonform möglich ist, ist
unbeabsichtigt für das umliegende Ausland zum Problem geworden. Die
politischen und juristischen Instanzen des nächstliegenden Schweizerlandes
haben aufgrund einer Meldung aus der angrenzenden Nachbarschaft zu klären, ob
der Anblick von Nackten aus der Distanz von etwa 250 Metern den Tatbestand von
Art. 20 des Polizeireglements Zofingen erfüllt oder nicht: „Wer in der
Öffentlichkeit durch ungebührliches Verhalten oder Betteln Ärgernis erregt,
wird bestraft.“
Unterschiedliche Gesetze und Reglemente und deren
unterschiedliche Auslegung beeinflussen das Verhältnis von anarchistischem
Kleinstkönigreich Noseland und dem umliegenden Schweizerland zuungunsten des
Kleinen. Um für ein respektables Nebeneinander ein Zeichen zu setzen, nimmt
Thomas Zollinger die Einladung von König Bruno für ein diesmal offizielles Werk
zum Anlass, noch im Brachejahr 2017/18 nackte Menschen nicht mehr sichtbar am
Tag, sondern in der Nacht auftreten zu lassen, und zwar an einem Leermond zur
dunkelsten Stunde, damit garantiert kein Bewohner und auch keine Bewohnerin im
umliegenden Schweizerland den Anblick von Nackten ertragen muss beziehungsweise
sich daran erfreuen kann.
2100 Personen, also soviele wie Noseland an
Quadratmetern aufweist, sollen am letztmöglichen Leermond-Termin im Brachejahr,
am 12./13. Juli 2018, sich unauffällig und leise zwischen Mitternacht und ein
Uhr auf dem Gelände einfinden und sich gleichmässig verteilen, so dass auf
jeden Quadratmeter eine Person zu stehen kommt. Zwecks Orientierung können
diskrete Lichtquellen wie Handys und Taschenlampen benutzt werden.
Um ein Uhr werden Thomas Zollinger und so es ihm
gefällt auch König Bruno die noseländische Grenze abschreiten. Es ist das
Zeichen für alle Teilnehmenden, die letzten noch angeknipsten Lichter
auszumachen. Nach und nach werden das Lichterlöschen auch jene bemerken, die
sich in der Mitte der noseländischen Wiese aufhalten. Sie werden als Letzte das
Licht ausmachen. Nach einer geschätzten Viertelstunde dürfte es komplett dunkel
sein. Es ist das Zeichen, sich auszuziehen.
Da für das Brachejahr die Regelung gilt, keine
Kunstbauten aufzustellen, was im Umkehrschluss heisst, dass ein Werk, das keine
Kunstbauten vorsieht, im Brachejahr durchgeführt werden kann, müssen nun, da
zwingend das Werk nicht realisiert werden soll und nur als Fantasie
weitererzählt werden darf, die Kleider so platziert werden, dass sie den Körper
nicht berühren und somit 2100 Kunstbauten entstehen. Damit wird die Bedingung der Nichtrealisierung des
angelieferten Werkes eingehalten
und das Werk wird ausschliesslich im Fantasieraum Spuren hinterlassen.
Wie müssen nun die Kleider platziert werden, damit
als Resultat klar eine Kunstbaute zu erkennen ist? Es kommt wohl nur in Frage,
sie mit einem Abstand zum Körper auf den Boden zu legen, oder noch besser zu
stellen. Auf diese Weise entsteht eine einigermassen eindeutige Kunstbaute.
Natürlich könnten alternativ die Kleider an aufgespannten Drähten aufgehängt
werden. Das Aufhängen würde sich allerdings nicht mehr aufdrängen, da die
Vorrichtung mit den aufgespannten Drähten bereits als Kunstbaute gelten kann.
Die Kleider könnten dann ebensogut in den Händen getragen oder auf dem Kopf
balanciert werden.
Die naheliegende Variante, die Kleider wie am 20.
August bei „Nudeland“ ausserhalb der noseländischen Wiese zu deponieren fällt
ausser Betracht. Es gäbe dann keine Kunstbauten auf dem brachliegenden
Noseland, die für die Nichtrealisierung des Werks nötig sind. Ohne Kunstbaute
könnte oder müsste es realisiert werden. Die Vorgabe der
Brachejahr-Ausstellung, die für das Werk nur den Fantasieraum vorsieht, wäre
nicht eingehalten.
Die 2100 also bekleidet auf die noseländische Wiese
gelangten Personen haben sich in der Mitte ihres Quadratmeters stehend endlich
ausgezogen und legen, noch besser stellen ihre Kleider mit genügend Abstand zum
Körper neben sich auf den Boden. Sie haben genügend Platz, um Bauch,
Oberkörper, Arme und Kopf zu bewegen, sich zu dehnen und bei Frösteln den
eigenen Körper warmzureiben.
Es werden sich nach einiger Zeit über sich
ausstreckende Arme und die Fingerspitzen Berührungen zwischen den nackten
Körpern ergeben. Sie sollen nicht forciert werden. Der Stand soll nur aufgrund
klarer innerer Impulse und unwiderstehlichen Hinziehungskräften verändert
werden. Die nackten Körper können sich einander annähern oder voneinander
entfernen, das heisst, es geschieht durch die regelmässige Verteilung der 2100
Personen auf Noselands Gesamtfläche logischerweise beides gleichzeitig.
Nach und nach werden sich kleine Gruppen von sich
berührenden nackten Körpern bilden, deren Bewegungen entweder in einen
langsamen Tanz übergehen oder, da es bei eher kühler Witterung sein kann, dass
die Nackten einander warm geben möchten, in ein festes Aneinanderreiben und
Umeinandersichschlingen. Allfällige Lustgeräusche sollen umgehend in Stille und
Bewegung transformiert werden. Ein erneuter Polizeibeamtenauftritt, in diesem
Fall wegen der im angrenzenden Schweizerland ahndbaren Nachtruhestörung, muss
vermieden werden.
Spätestens um 2h morgens schreiten Thomas Zollinger
und so es ihm gefällt auch König Bruno die Grenze ein zweites Mal ab. Es ist
das Zeichen, sich wieder anzuziehen, und Noseland unauffällig und leise zu
verlassen.
Tue Gutes und rede darüber – von der Geste dieser
inszenierten Rücksichtnahme auf das nachbarschaftliche Ausland darf im Vorfeld
gesprochen und im Nachhinein erzählt werden. Es darf das Gerücht gestreut
werden, dass 2100 Personen sich extra in der Nacht und zur dunkelsten Stunde zu
einem Nacktauftritt auf dem anarchistischen Königreich Noseland einfinden, um
ausdrücklich nicht gesehen zu werden, auf dass sich niemand im angrenzenden
Ausland mehr gestört zu fühlen braucht – ausser durch die oder in der eigenen
Fantasie.
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